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#Neues aus der Industrie

Die Einfachheit der Komplexität

Die Einfachheit der Komplexität.

Gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung gehört der Anlagenbau zu den wichtigsten Industriezweigen in Deutschland. Durch die Globalisierung nimmt der Druck, insbesondere aus China, auf die hiesigen Anbieter stetig zu. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie immer komplexere Lösungen entwickeln, die oft speziell auf ihre Kunden zugeschnitten sind. In Produktion, Logistik und bei den beteiligten Partnern führt dies zu einer Intransparenz, die in der Angebotsphase eine genaue Kalkulation erschwert. Um den daraus resultierenden Projekt- und Unternehmensrisiken effizient zu begegnen, versucht die BEUMER Group durch ein ganzheitliches Konzept zum Supply Chain Management die Transparenz in der Angebotsphase zu maximieren. Denn nur durch die frühzeitige Konfiguration der Supply Chain kann dem Kunden die beste Lösung für sein individuelles Projekt geboten werden.

„Wir fertigen unsere Anlagen nach dem Engineer-to-Order-Prinzip“, erklärt Johannes Stemmer aus dem Bereich Corporate Strategy bei der BEUMER Group. „Unsere Kunden bekommen Anlagen, die exakt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind – wie ein Maßanzug.“ Und genau wie sich Beinlängen, Taillen- oder Brustumfänge bei Menschen unterscheiden, sind auch die einzelnen Systemlösungen sehr kundenspezifisch. „Das spüren wir in Zeiten des E-Commerce gerade bei den Versandhändlern sehr deutlich“, sagt Johannes Stemmer. Wollen diese langfristig konkurrenzfähig sein, müssen sie sich zum Beispiel mit individuellen Zustellzeiten oder auch Same Day Delivery auseinandersetzen: Der Kunde bestellt und erhält noch am selben Tag die Ware. Charakteristisch ist zudem die Atomisierung der Sendungen: Der Kunde bestellt häufiger – zum Teil mehrmals am Tag –, aber in immer kleineren Mengen. Mit diesen Trends wird die Materialflusstechnik komplexer. Intralogistische Systeme wie die Hochleistungssortieranlagen der BEUMER Group müssen somit auch immer flexiblere Aufgaben erledigen können und sich an veränderte Gegebenheiten anpassen lassen. „Als Systemintegrator planen wir diese Anlagen, bauen sie und nehmen sie in Betrieb. Auf diese Weise können unsere Kunden ihre Waren schnell, sicher und fehlerfrei liefern“, beschreibt Johannes Stemmer. „Sie erhalten einen Wettbewerbsvorsprung und können sich auf zukünftiges Wachstum entsprechend vorbereiten. Doch diese Individualisierung hat ihren Preis.“

Ungenauigkeiten im Angebotsprozess

BEUMER stattet die Anlagen zum Beispiel mit verschiedenen Modulen und Funktionen aus wie Handaufgabeplätzen, semi-automatischen Einschleuseinheiten, Kamerasystemen oder Tools, die Fehler beim Sortierprozess korrigieren und damit die Genauigkeit erhöhen. Dazu kommen Antriebe, die sich in ihrer Leistung und Energieeffizienz unterscheiden. Eine Vielzahl an Produktvarianten entsteht. „Weil wir zum Beispiel die Kamerasysteme oder Sensoren nicht selbst fertigen, setzen wir hier auf ausgewählte Zulieferer“, erläutert Stemmer. Doch je komplexer eine Anlage wird und je mehr Partner im Boot sitzen, desto höher ist meist auch der Koordinations- und Entwicklungsaufwand. Anlagenbauer sind daher Einflüssen ausgesetzt, die sie nicht immer selbst in der Hand haben und die sich auch immer schwerer vorhersagen lassen. Damit steigen die Risiken bei der Kalkulation des Leistungsumfangs und bei der Ausarbeitung der Terminpläne. Eine weitere Schwierigkeit liegt in den langen Projektlaufzeiten: Betreiber haben Änderungswünsche, Wechselkurse und Rohstoffpreise können schwanken. Diese Komplexitätstreiber erschweren eine genaue Kalkulation zum Zeitpunkt der Angebotslegung.

Trotz allem: „Kunden erwarten eine klare Aussage. Deswegen können nur die Anbieter langfristig erfolgreich sein, die auch unter diesen schwierigen Bedingungen den Bedarf an Bauteilen und die Produktion zuverlässig planen können“, ist sich Johannes Stemmer sicher. Um mehr Transparenz im Angebotsprozess zu schaffen, setzt die BEUMER Group auf ein effizientes Supply Chain Management (SCM). Dieser Managementansatz ist prozessorientiert und umfasst dabei alle Flüsse von Rohstoffen, Bauteilen, Halbfabrikaten und Endprodukten sowie Informationen entlang der Wertschöpfungs- und Lieferkette. Das Ziel ist eine Ressourcenoptimierung für alle daran beteiligten Unternehmen. Damit das SCM wirkungsvoll die projektspezifische Planung der Lieferketten und die Koordination der beteiligten Akteure unterstützt, ist es genau auf die Anforderungen des Anbieters abzustimmen.

Das ist gar nicht so einfach. Für die einen ist dieser Managementansatz eine zentrale und übergeordnete Planungs- und Steuerungsfunktion, um interne und externe Versorgungsketten zu koordinieren und zu verantworten. Für die anderen ist es der Grundgedanke einer ganzheitlichen Sichtweise, der jedoch oft nur vereinzelt im Einkauf, Vertrieb oder Projektmanagement Anwendung findet. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Wahrnehmung der einzelnen Abteilungen von Aufgaben und Zielen, die SCM zugeschrieben werden. Doch es ist wichtig, in der Endphase des Angebots ein klares Konzept mit den Lieferanten und Unterlieferanten abzustimmen. „Ein Angebot kann bei einem umfangreichen System bis zu 800 Seiten stark sein. Umso gewichtiger ist ein durchgängiges SCM“, betont Stemmer.

Komplexität wird beherrschbar

Bei der Einführung eines SCM sind nicht nur die Komplexitätstreiber wie Änderungswünsche oder schwankende Preise der Rohstoffe zu berücksichtigen, sondern auch die Faktoren, die den Angebotsprozess begünstigen können. „Der Kunde ist oft bereit, mehr zu investieren, wenn er dem Know-how des Anbieters vertraut und sich durch die individuelle Lösung seines Problems verstanden fühlt“, weiß Stemmer. Zu diesen Erfolgsfaktoren zählt bei der BEUMER Group zum Beispiel ihr umfangreicher Customer Support. Rund 1.000 Mitarbeiter arbeiten weltweit für dieses Geschäftsfeld. Sie kümmern sich vom ersten Projektgespräch bis zur laufenden Anlage um ihre Kunden. Der Customer Support kann verschiedene Dienstleistungen umfassen. Mit dem Residential Service sind die BEUMER Mitarbeiter zum Beispiel dauerhaft vor Ort und übernehmen bewusst Verantwortung für einen reibungslosen Betrieb. Eine wichtige Rolle spielen zudem die hohe Kompetenz der BEUMER Vertriebsmitarbeiter und die technischen Leistungsparameter einer Anlage.

Um die Komplexität beherrschbar zu machen, baut die BEUMER Group ihre Anlagen modular auf. Dies erweist sich als sinnvoll, wenn Prozesse, Bauteile oder Kundenanforderungen ähnlich sind und häufig zum Einsatz kommen. Durch einheitliche, Vorgaben und Abläufe vereinfacht der Systemintegrator die Koordination bei der Planung und Steuerung der Supply Chain in der Angebotsphase. BEUMER stellt die Module individuell zusammen und passt sie an. Dabei fertigt der Systemanbieter Baugruppen oder Komponenten häufig kundenneutral vor. Die einzelnen Module haben durch Skaleneffekte eine hohe Wiederverwendbarkeit, womit sich auch die Bedarfe in der eigenen Fertigung besser steuern lassen. Geht ein Auftrag ein, verbucht BEUMER einen enormen Zeitgewinn und ist flexibel in der Lieferung – ein weiterer Erfolgsfaktor.

Gleiche Ziele, unterschiedliche Strategien

Die Erfolgsfaktoren begünstigen und als Wettbewerbsvorteile ausbauen ist das Ziel, das jedes Unternehmen mit SCM verfolgt. Doch die Betriebe unterscheiden sich. Die einen stellen nur Produkte her, andere komplette Systeme, die einen fertigen weltweit, andere setzen fast ausschließlich auf Zulieferer. Durch diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen ergeben sich unterschiedliche SCM-Strategien und SCM-Betrachtungsbereiche für die Unternehmen. Letztere beziehen sich auf einzelne Unternehmensbereiche, auf das eigene Gesamtunternehmen, auf den Kooperationsverbund mit den beteiligten Partnern oder auf die Zusammenarbeit mit dem Kunden. Es gibt damit nicht die eine erstrebenswerte Lösung für die Gestaltung der Supply Chain. Mit steigender Stufe – vom funktions- bis zum kundenbasierten Ansatz – wachsen auch die Anforderungen an das Managementsystem. Den Chancen und Möglichkeiten eines kundenbasierten SCM-Ansatzes steht die Gefahr einer Überforderung der Unternehmensressourcen und Kompetenzen bei einer ganzheitlichen Umsetzung gegenüber.

Firmen, die ihr SCM funktionsorientiert ausrichten, fertigen überwiegend Produkte, seltener komplette Systeme. Meist produzieren sie selbst, haben einen hohen Wertschöpfungsanteil und ihre Zulieferer sind oft nur wenige Kilometer vom eigenen Standort entfernt. Der Angebotsprozess im Unternehmen beruht oft auf Erfahrung. Im Produktgeschäft wird vorrangig standardisiert. Dadurch lassen sich die Leistungsparameter und Kundenwünsche der Lösungen weitgehend vorkonfigurieren. Der kundenspezifische Anteil der Produkte ist eher gering. SCM auf Stufe eins hat meist einen untergeordneten Stellenwert, weil die Firmen für Nischenmärkte produzieren und hier weniger Wettbewerb herrscht. Mit SCM wollen sie Erfolgsfaktoren wie Termintreue, Preis oder die Qualität verbessern.

Transparenz schaffen

Ein zentrales Ziel der BEUMER Group ist es, durch ein unternehmensbasiertes SCM eine interne Transparenz sicherzustellen. Damit legte die Gruppe ihren Blick nicht nur auf Vertrieb, Einkauf oder Produktion, sondern auf das Gesamtunternehmen. „Durch die Globalisierung sind wir in den vergangenen zehn Jahren enorm gewachsen. Unseren Umsatz konnten wir von 100 Millionen auf über 700 Millionen Euro vervielfachen“, erklärt Johannes Stemmer. Im gleichen Maße ist auch die Anzahl der Mitarbeiter von rund 700 im Jahre 2004 auf aktuell über 4.000 Beschäftigte gewachsen. Durch insgesamt 35 operative Gruppengesellschaften und fünf Produktionsstandorte ist die Unternehmensgruppe weltweit präsent. „SCM ist für uns ein zentraler Baustein, um Transparenz im Unternehmen zu schaffen und eine reibungslose Kommunikation aller Beteiligten zu ermöglichen“, erläutert Stemmer.

Einen Schritt weiter gehen Unternehmen mit dem auf dem Verbundziel basierten SCM und erweitern damit ihren Blick über die eigene Firma hinaus bis zu ihren Lieferanten. Um diese in die eigene Unternehmensstruktur einzubinden, sind synchrone Prozesse und Systeme erforderlich. Dazu verständigen sich beide Seiten auf gemeinsame Netzwerkziele im Verbund, die den Unternehmens- und Bereichszielen übergeordnet sind. Damit ergeben sich auch Anforderungen an Kooperation und Transparenz der beteiligten Akteure. Das betrifft zum Beispiel die Informationsbereitstellung, die Ressourcenverwendung oder gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Anders als bei der BEUMER Group verfügen Unternehmen, die auf diese Strategie setzen, meist über eine sehr kleine oder keine eigene Fertigung. Der Zukaufanteil und die eigene Engineering-Leistung sind hoch. Das SCM im Lieferantennetzwerk soll die Profitabilität der Supply Chain im Verbund verbessern, die Kooperation mit Lieferanten stärken und das Innovationspotenzial der Lieferkette besser nutzen.

Der Kunde im Fokus

„Unsere Kunden trugen verstärkt den Wunsch an uns heran, ‚alles aus einer Hand‘ beziehen zu wollen“, sagt Stemmer. „Wir haben uns deshalb in den vergangenen Jahren vom Produkthersteller zum Systemlieferanten entwickelt.“ Damit hat die BEUMER Group auch ihr SCM auf die Kundenanforderungen ausgerichtet. Diese Strategie beschreibt die flexible Ausrichtung der Lieferkette auf die individuellen Bedürfnisse der Anwender im Angebotsprozess und gilt als Kernkompetenz für Systemintegratoren. Denn die Komplexität im Angebotsprozess hängt vor allem von der Komplexität der zu liefernden Anlage ab. Die Anzahl der zu berücksichtigenden Kundenanforderungen ist in der Regel sehr hoch. Das macht die Anpassung der Supply Chain an die projektspezifischen Rahmenbedingungen sehr umfangreich.

Um die Komplexität weiter zu verringern und auf individuelle Anforderungen eingehen zu können, hat die BEUMER Group in den verschiedenen Geschäftsfeldern das jeweilige Know-how und die Kompetenzen aller Niederlassungen gebündelt und entsprechende Center of Competence gegründet. Diese weltweit zuständigen Zentralen kümmern sich um Forschung und Entwicklung, den Vertrieb, das Projektmanagement, den Einkauf und vor allem um die Betreuung der Gruppengesellschaften. „Damit stellen wir eine durchgängige Kommunikation aller beteiligten Akteure unternehmensweit bereits in der Angebotsphase sicher“, beschreibt Stemmer. SCM schafft als Querschnittfunktion die notwendigen Nahtstellen zwischen den Unternehmensbereichen.

Um die entstehenden Kosten in einem Projekt transparenter darzustellen, setzt der Systemintegrator auf Kostenanalysen einzelner Baugruppen oder Produkte. Die Transparenz im Angebot steigert BEUMER durch detaillierte Kapazitäts- und Ressourcenplanungen und betrachtet die Gesamtbeschaffungskosten – die Total Landed Costs – aus Kundensicht. „Wir erkennen Einsparungspotenziale leichter und können sie aktiv erschließen“, sagt Stemmer. Diese Potenziale können sich beispielsweise durch Präferenzabkommen verschiedener Länder, Local-Content-Anforderungen oder Bewertungen verschiedener Produktionszenarien zeigen. Denn sie haben einen erheblichen Einfluss auf den Angebotspreis.

Keine überraschenden Kosten

„Mit dem kundenbasierten Supply Chain Management haben wir unseren Weg gefunden“, ist Johannes Stemmer überzeugt. „Wir konzentrieren uns auf unsere unternehmerischen Kernkompetenzen, sind innovativ und treiben unsere Internationalisierung strategisch und konsequent voran.“ Wichtig ist die maximale Transparenz der beteiligten Akteure bei der projektspezifischen Supply-Chain-Konfiguration. Für die BEUMER Group ist das besonders wichtig. Denn die Zusammenarbeit mit den Kunden basiert für den Systemlieferanten auf gegenseitigem Vertrauen. „Der Kunde muss uns als vertrauensvollen Sparringspartner begreifen, der ihm durch exzellente Lösungskompetenz in seinem Projekt zum Erfolg verhilft“, betont Stemmer.

Die Einfachheit der Komplexität

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